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Die Muse als Symbol der Kunst und der Muffel stehen einander als sehr ungleiches Paar gegenüber. Auf der einen Seite steht die Muse, die sich in vielerlei Hinsicht Mühe gibt, ihr männliches Gegenüber zu provozieren: Ihr Stand ist so verlagert, dass die Hüfte einknickt und ihre Figur zur Geltung bringt. Das Gewand ist verführerisch hinabgeglitten und enthüllt die Brust. Als weitere Provokation greift sie sich mit ihren Händen in das voluminöse lange Haar, das Ähnlichkeit mit den Strahlen der Sonne besitzt. Allerdings zeigt sich der Muffel gegenüber dieser Demonstration weiblicher Schönheit wenig erfreut. Er besitzt nicht einmal einen Körper, sondern ist auf einen überdimensionalen Kopf reduziert. Offenbar handelt es sich um eine Figur, die stark ‚verkopft‘ ist und sinnlichen Genüssen gegenüber immun ist. Es ist der Kunstmuffel, der der Muse skeptisch und uninteressiert gegenübersteht. Sein kantiges Gesicht mit dem langen struppigen Bart kontrastiert mit den weichen Formen seines Gegenübers. Der Lorbeerkranz auf seinem Kopf erinnert an den des Apoll, den Kopf der Dichtkunst und des Gesangs. Mit diesem hat er aber nichts gemein. Dass Kunstliebhaber und Kunstverächter in einem fragilen Verhältnis zueinander stehen, macht Burgeff durch den Wippbalken deutlich, auf dem sich beide Figuren befinden. Der Muffel hat offenbar das größere Gewicht und steht daher näher am Scheitelpunkt. Die Muse hingegen steht am äußeren Ende. Was ist, wenn sie versucht, sich ihm weiter zu näher? Dies würde das Gleichgewicht stören und zum Kippen führen. Allein, wenn sie weiter aus gebührendem Abstand versucht, den Muffel für die Kunst zu gewinnen, kann ihr Anliegen gelingen.
Medaillenkunst in Köln im 20.-21. Jahrhundert
Die Kunst der Medaille hat in Köln eine junge Tradition. Während in den weltlich orientierten süddeutschen Kunst- und Wirtschaftszentren Augsburg und Nürnberg diese Sonderform des Miniaturdenkmals in der Renaissance erblühte, dominierte hier, in der nach Rom und Jerusalem seit dem Mittelalter bedeutendsten Pilgerstätte der Christenheit, das sakrale Kunstschaffen. Eine Entfaltung der Medaille als eigenständiges Medium ist erst seit der Mitte des 20. Jahrhunderts zu registrieren, dafür aber mit einer in der Bundesrepublik unübertroffenen Vitalität. Der Wiederaufbau nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg zog zahlreiche Bildhauer nach Köln, ermöglichte Aufträge zur Neugestaltung der öffentlichen Räume und Gebäude, von denen vorrangig die Ausstattung der einst prachtvollen romanischen und gotischen Kirchen, allen voran der Dom, künstlerische Herausforderung war. Noch heute sind in Köln mehr als 50 Bildhauer ansässig. Christi Geburt, die Legende der Heiligen Drei Könige und das Martyrium der Heiligen Ursula waren seit dem 16. Jahrhundert bis zum heutigen Tage ein beliebtes Thema Kölner Medailleure. Stellvertretend für die Vielfalt sakralen Gestaltens und wie eine Metapher das Thema rahmend, steht eine Kirchenplakettenedition von 17 Kölner Künstlern aus den 1970er Jahren. Die seit 1926 mit dem Namen „Kölner Werkschulen“ verbundene künstlerische und gewerbliche Ausbildungsstätte bot Kunstschülern die Fachrichtungen Malerei, Plastik, Grafik und Architektur an. Der Bildhauer und Medailleur Ludwig Gies folgte 1950 aus Berlin einem Ruf in die Domstadt und übte bis zu seiner Emeritierung 1962 eine Professur für Bildhauerei, Steinmetz- und Friedhofskunst aus. Mit diesem, im Dritten Reich verfemten Künstler wurzelt der kräftig ausladende Stammbaum der Kölner Medaillenkunst der Gegenwart. Bedeutendster Schüler und Nachfolger war Karl Burgeff (1928-2005) mit einem Œuvre von 250 zumeist in Bronze gegossenen medaillenförmigen Kleinreliefs. Mythologische Themen, aber auch Landschaften, Porträts und Themen mit aktuellem Gesellschaftsbezug kennzeichnen sein Opus.Der nahezu vergessene Bildhauer, Grafiker und Medailleur Jochem Pechau (1929-1989) hat ebenfalls ein eindrucksvolles Medaillenwerk hinterlassen. Heribert Calleen (1924), Rudolf Peer (1932) und Wolfgang Reuter (1934) waren wie Burgeff und Pechau Meisterschüler von Gies. Dessen Vorbild mit einem der altägyptischen Kunst entlehnten Stil des versenkten Reliefs und der Methode, die Gestaltung im Positiv-Negativ-Schnitt zu entwickeln, sowie die lange Zeit vorherrschende christliche Motivik haben die Arbeiten der „Kölner Schule“ bestimmt. Andere künstlerische Auffassungen erweiterten den thematischen und stilistischen Rahmen. 1947 bereits war Joseph Jaekel als Leiter der Metallbildnerklasse an die Kölner Werkschulen berufen worden. Sein eigenes Medaillenwerk ist zwar nicht umfangreich, einige namhafte, in der Ausstellung nicht vertretene Medailleure zählen jedoch zu seinen Schülern: Kurt Wolf von Borries (1928-1985), Olaf Höhnen (1933) und Erwin Nöthen (1935). Georg Ahrens (1947) und Titus Reinarz (1948) wurden bei Kurt Schwippert (1903-1983) und Karl Burgeff ausgebildet. Der Einfluss Burgeffs ist deutlicher zu spüren.Unter den heute aktiven Künstlern der mittleren Generation, zumeist von Karl Burgeff „geformt“, sind Agatha Kill (1948) und Lucia Hardegen (1951) hervorzuheben. Beide haben inzwischen auch erste Preise in Wettbewerben zu Gedenkmünzen erzielt.Bildhauer und Medailleure der jüngeren Generation sind Burkhard Jankowski (1961) mit einem berührenden Porträt von Burgeff und Ulrich Görtz (1963). Der „Ideenkatalog“ ihrer Arbeiten enthält ein breites Spektrum der Themen und Anlässe. Zu den bisher Genannten sind Künstler zu zählen, die ihre Ausbildung in anderen Orten erhalten haben, aber durch ihr Wirken untrennbar mit der Kunst- und Medaillenszene Kölns verbunden sind, wie zum Beispiel Elisabeth Baumeister-Bühler (1912-2000), Hildegard Domizlaff (1898-1987), Heide Dobberkau (1929). Eine gemeinsame „Handschrift“ ist ihren Arbeiten nicht anzumerken. Singulär etwa sind die sensiblen Tiermedaillen von Heide Dobberkau. Aus Hamburg kam im Jahre 1950 auch Gerhard Marcks (1889-1981) nach Köln. Elmar Hillebrand (1925) schließlich lebt und arbeitet auch dort; hatte seine Ausbildung jedoch in Düsseldorf und Paris. Eigene Lehrtätigkeit in Aachen führte wohl zu thematischen, nicht aber zu stilistischen Berührungen mit der „Kölner Schule“. Das Münzkabinett verdankt Frau Irmgard Lauscher-Koch (1933-2007) den Medaillennachlass ihres Lebensgefährten Karl Burgeff. Frau Hannelore Pechau übereignete den Medaillenbestand ihres Mannes. Rudolf Peer, Georg Ahrens und Elmar Hillebrand schenkten Arbeiten. Jochen Bohn übergab die von ihm verlegte Edition Kölner Kirchenplaketten. Eine Monografie zum gleichen Thema bietet erstmals einen umfassenden Überblick zur Medaillenkunst in Köln im 20. Jahrhundert (ISBN 978-3-88609-602-2; Buchhandelspreis 49,- Euro).