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Jugendstil
Um 1900 wurde die Medaille von einer inhaltlichen und formalen Erstarrung befreit, die sie im Laufe des 19. Jh. in ihren künstlerischen Entfaltungsmöglichkeiten eingeengt hatte. Prägeeffekte mit einem matt glänzenden Relief auf „polierter Platte“ hatten die Vorstellung von einem anscheinend „ewigen“ Medaillenstil verfestigt. Art Nouveau, Sezession und Jugendstil sind Bezeichnungen für neues Fühlen und Gestalten auch im Medaillenschaffen. Mit „Volkslied der Skulptur“ wählte Alfred Lichtwark, einer ihrer Protagonisten, eine Metapher für Synergien, die die Medaille aus den künstlerischen Gesamtbestrebungen bezog. Fließende Formen, Reduzierung der Miniaturdenkmale auf Alltägliches, auf Gefühle und Stimmungen, kennzeichnen die neue Auffassung von der Medaille als einem „sinnlichen“ Relief. Durch Vermeidung harter Konturen selbst bei der seriell produzierten Prägemedaille und mittels kunstvoller Patinierungen wurde der ästhetische und haptische Reiz der neuartigen Kleinreliefs verstärkt. Vorreiter waren die fast ausschließlich in Paris bzw. Wien ansässigen französischen und österreichischen Medailleure. In Deutschland waren die Bildhauerzentren Berlin und München zwar auch im Medaillenschaffen dominierend, aber die alten Reichs- und Residenzstädte mit ihren Münzstätten und privaten Prägebetrieben sorgten gleichermaßen für stilistische und technische Innovation.
Medailleure L. Gies und H. Broër
Die deutsche Medaille des 20. Jh. ist von Höhen und Tiefen durch die Indienstnahme seitens der Politik und die Verflachung durch den Kommerz gekennzeichnet und gefährdet. Zwei ungleiche, durch ihr Schaffen verbundene Bildhauermedailleure haben zur künstlerischen Bewahrung wie zur Erneuerung der Medaille beigetragen. Ludwig Gies (1887-1966) wirkte zwischen den Kriegen in Berlin und nach 1945 in Köln schulbildend. Besonders seine frühen Arbeiten aus der Zeit des ersten Weltkriegs sind eindrucksvolle Zeugnisse für Humanität und Pazifismus, geformt in einem für ihn charakteristischen Flachreliefstil. Hilde Broër (1904-1987) war in den frühen 1930er Jahren Meisterschülerin von Ludwig Gies. Formal hat sie in ihrem späteren Werk durch stärkere Synthese von Grund und Relief mit abstrahierenden Tendenzen den konventionellen Medaillenstil zu überwinden gesucht.